Thilo Röhrig
"Preis-Premium-Strategie"

Seit knapp 1,5 Jahren hat Thilo Röhrig die Geschäftsführung bei der Fürther Ringfoto-Verbundgruppe inne. Das Branchen- Urgestein war sieben Jahre bei Electronic Arts, 17 Jahre bei Sony – zuletzt als Sales und Commercial Director. Über Kameras als Luxusgüter, Mehrwerte für Händler und die Passbild-Lösung der Ringfoto sprach hitec mit Röhrig.
hitec: Herr Röhrig, Sie lebten viele Jahre im Rheinland, dann in Berlin und jetzt in Franken. Wie hat man Sie in Fürth aufgenommen und was ist für Sie jetzt typisch fränkisch?

Thilo Röhrig: Anfänglich gab es kleinere sprachliche Herausforderungen mit dem fränkischen „p", dass wie ein „b" ausgesprochen wird... aber so langsam passe ich mich an und es „basst" ????

Was ist eigentlich anders, wenn man nicht mehr auf dem Stuhl der Industrie sitzt, sondern die Handelsseite vertritt?

Die Marktgegebenheiten und Mechaniken sind natürlich die gleichen, da ich ja in der Branche geblieben bin. Allerdings ist es für mich als „ehemaligen" Industrie- Mann immer noch spannend zu sehen, wie andere Industriepartner an den Markt herangehen! Ansonsten schätze ich sehr Tempo und Freiheit der Entscheidungen und Gestaltung – da ist man im Konzern doch wesentlich mehr
eingeschränkt.


"Wir haben es bisher nicht geschafft, die Mechanik einer Preis-Premium-Strategie längerfristig durchzuhalten."

Vor 15 Jahren hat manch Mitarbeiter aus der Fotoindustrie den Fotohändler als aussterbende Spezies empfunden. Was hat sich seitdem geändert?

Das hoffe ich nicht, dass dies vor 15 Jahren die Sichtweise war! Ich erinnere mich, dass wir damals bei Sony im Jahre 2010 (also vor ca. 14 Jahren) eine Foto Fachhandels Offensive gestartet hatten, bei der es um den Ausbau und die Kompetenzvermittlung der System-Vermarktung ging. Ich denke, das ist heute auch genau das, was uns derzeit von anderen Handelsformen unterscheidet – die Kompetenz hochwertige und vor allem erklärungsbedürftige Kamera- Systeme aller Hersteller dem Verbraucher zu erklären, vor Ort zu demonstrieren und sogar mit Ergänzungsprodukten wie Zubehör, Workshops, etc. erfolgreich zu verkaufen.

Was unterscheidet die Fotobranche jetzt noch von der Luxusgüterwelt?

Das ist eine gute Frage und ehrlich gesagt eine der größten Herausforderungen. Die Produkte sind von der Wertigkeit bekanntlich auf dem Luxusgüter-Niveau (GfK-Durchschnittspreis >1.900 e). Auch die Käuferschicht und Kaufkraft im Kamera-Markt ist wesentlich weniger konjunkturabhängig als in anderen Consumer Electronics-Bereichen. Dennoch haben wir es bisher nicht geschafft, die Mechanik einer Preis-Premium-Strategie längerfristig durchzuhalten. Aus unserer Sicht spielt hier vor allem die Mengenplanung der Industriepartner eine entscheidende Rolle. Die richtige Plan-Menge an die echte Marktgröße anzupassen ist hier die Aufgabe, die wir gerne gemeinsam mit der Industrie anpacken wollen.

Und wie viele Händler leben noch vom Verkauf von Kameras?

Nach unserer letzten Vertriebsstellen-Analyse haben im letzten Jahr über 600 Händler in Deutschland relevante Umsätze mit Kamera-Produkten gemacht. Wobei natürlich eine sukzessive Konsolidierung von Umsätzen stattfindet, wie in anderen Branchen auch.

Wieviel Umsatz machen Ihre Mitglieder eigentlich mit dem „Blech" und wieviel mit dem „Fotografieren"?

Der Fotofachhandel hat im Markt der Kameras, Objektive, etc. einen GfK-Marktanteil von über 70 %. Im Bereich Foto-Finishing (Fotobücher, Wanddekorationen, Fun-Produkte, etc.) leider nur ca. 2 % Marktanteil. Und selbst im Studio- Bereich haben wir mit 31 % eigentlich zu wenig Anteil – hier sehen wir ein Potential, das wir in den kommenden Monaten mit gezielten Maßnahmen angehen wollen.


"Der Anteil des Online-Verkaufs ist in der 'Nach-Corona-Zeit' wieder zurückgegangen und nur leicht über dem Niveau vor der Pandemie." 

Wie schafft man es, als Ringfoto sowohl für einzelne Fotohändler als auch für Filialisten perfekt zu sein?

Wir versuchen Mehrwerte zu liefern – für jede Unternehmensgröße unserer Mitglieder wie aber auch für unsere Partner der Industrie. Die Mehrwerte und Anforderungen unterscheiden sich inhaltlich bei den einzelnen Händlern und dem versuchen wir täglich gerecht zu werden.

Anspruchsvolle Kameras sind durch ihren hohen Preispunkt geradezu prädestiniert für den Preisverriss im Onlinehandel. Wie hat sich der Onlinemarkt die letzten Jahre entwickelt?

Der Anteil des Online-Verkaufs ist in der „Nach-Corona-Zeit" wieder zurückgegangen und nur leicht über dem Niveau vor der Pandemie. Aber natürlich brauchen Händler heutzutage eine Multi-Channel-Strategie, um erfolgreich zu sein. Dennoch sollten wir nicht unterschätzen, dass gerade bei hochwertigen Kameras und Objektiven, der Besuch im Geschäft vor Ort nach wie vor eine entscheidende Rolle spielt.

Ab kommendem Jahr brauchen die Fotohändler ein manipulationssicheres Verfahren, um Passbilder zu produzieren. Wie hilft die Ringfoto?

Mit unserem neuen cloudbasierten E-Passfoto-Verfahren sind wir im kommenden Jahr bestens aufgestellt. Wir werden sogar noch in diesem Jahr zusätzlich eine Lösung für ein cloudbasiertes Führerschein-Verfahren anbieten. Damit können dann Händler, bei denen die Ämter angeschlossen sind, schon in diesem Jahr mit dem Prozess starten.

Für wie viele Fotohändler wird es sich in Zukunft noch lohnen, Passbilder zu produzieren?

Wir empfehlen allen Händlern, die bisher Passbilder angeboten haben, dies auch weiterhin zu tun. Aus unserer Sicht haben wir keinen Wettbewerbsnachteil, eher Vorteile am gesamten Markt. Es gibt heute schließlich Wettbewerber wie Online-Dienste, Apps und „freistehende Automaten", die künftig nicht mehr am zugelassenen Verfahren teilnehmen können – hier liegt sogar zusätzliches Potential!

Die photokina ist tot – es lebe die PHOTOPIA? Aber warum nicht eigentlich die IFA? Welches Messeereignis ist ein Muss für den Fotohändler?

Niemand hat erwartet, dass die PHOTOPIA „aus dem Stand" die photokina ablösen kann. Neue Messe, neuer Standort, neuer Name, etc. ... Es dauert um eine solche Veranstaltung als Marke und Institution zu etablieren. Ich denke aber auch die IFA hat aufgrund Ihrer internationalen Positionierung und langen Tradition ein Potential für mehr Fotografie! Ich werde beide Messen wieder besuchen und empfehle dies auch allen unseren Händlern!

Herr Röhrig, vielen Dank für das Gespräch.

FOTOS: RINGFOTO

Autor: Steffen Kahnt

Dieser Artikel ist am 5. März 2024 erstmals erschienen in der Printausgabe von hitec Magazin, Ausgabe 3 / 2024.

 

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Thilo Röhrig im Interview des Monats, Ringfoto

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